Ein kleines Ladenlokal direkt hinter dem Dom, nahe der neuen Frankfurter Altstadt. Prägendes Element im Bureau Mitte ist der große, schwere Holztisch. Alles findet an diesem Tisch statt: Meetings, Abendessen, Fotoshootings.
Kennengelernt haben wir uns über den Werkbund Hessen. Im Rahmen der Veranstaltung Mitglieder stellen sich vor – damals wurden Helene Uhl und Anna Ranches neu in den Werkbund berufen. Bald darauf haben sie ein neues Veranstaltungsformat entwickelt: Die Werkbundabende. Rund um den Holztisch im Bureau Mitte versammeln sich Mitglieder aus verschiedenen Branchen zum lockeren Austausch bei einem Glas Wein. Der interdisziplinäre Ansatz des Werkbundes soll sich in den Abenden widerspiegeln. Anna Ranches ist mittlerweile auch in den Vorstand des Werkbundes berufen und dort für den Bereich Design zuständig. Zudem unterstützt das Bureau Mitte den Werkbund im Ressort Veranstaltungen. Ein Verein wie der Werkbund Hessen lebt von aktiven Mitgliedern. Damit das funktioniert, muss die Anonymität aufgehoben werden, müssen die Mitglieder sich untereinander kennenlernen. Wie Helene Uhl und Anna Ranches sind auch viele andere Werkbundmitglieder höchst aktive Kollegen, die zahlreiche berufliche wie private Projekte verfolgen. So ergeben sich beim Austausch an den Werkbundabenden wunderbare Synergien.
Eben ein besonderer Typ Mensch – aber was meint das? Ist das ein besonderes Merkmal der kreativen Szene? Wir alle wissen, was es bedeutet, selbstständig zu sein im Kulturbereich. Vor allem eine sehr unsichere Sache. Und trotzdem noch ehrenamtlich engagiert – wie kriegt man das eigentlich hin? Oder: Warum macht Ihr das, Anna und Helene? „Von 100% unserer Arbeitszeit gehören 20% freien Projekten. Das ist uns sehr wichtig. Freie Projekte sind deshalb wichtig, weil sie uns inspirieren und uns Energie geben. Das Machen ist ein großer Bestandteil unseres Charakters, privat wie auch in der Agentur.“ Initiativen wie der Werkbund, die sich mit Themen wie Wertigkeit und Qualität auseinandersetzen haben heute an Bedeutung verloren. Was auch ein Zeichen unserer Zeit ist, eine gesellschaftliche Thematik. Es ist Anna und Helene eine Herzensangelegenheit, das wieder zu stärken.
Als Agentur ist man natürlich auch Dienstleister und sehr von Kunden abhängig. In freien Projekten kann man sich in Inhalte stürzen, man kann in alle Richtungen denken, ohne dass das Engagement unbedingt zu einem Auftrag führen muss. Eine enorme Freiheit. Ist das wichtig? „Unsere Projekte engen uns nicht ein. Der Berufsstart ist sehr steinig, wenn man authentisch bleibt und zu seinem eigenen Stil steht. Wir machen das seit 7 Jahren. Jetzt werden wir gerade deswegen gebucht. Unsere Kunden bringen uns ihre Wertschätzung für unsere Arbeit mit und immer auch noch eine andere Perspektive, was die Arbeit sehr spannend macht. Wir können sehr frei arbeiten. Dazu kommt unser Team, das auch sehr unterschiedlich aufgestellt ist. Auch da findet ein sehr reger Austausch statt. Im Grunde ist eine ehrenamtliche Arbeit wie im Werkbund das Gleiche, denn man trifft die Entscheidungen ja nie allein.“
Was macht das Bureau Mitte? Corporate Design, Editorial Design, klassische Kommunikationsmedien. „Wir haben uns nicht auf eine Branche festgelegt, wir haben uns stilistisch festgelegt. Wir legen sehr viel Wert auf die Druckveredlung, und arbeiten mit verschiedenen Druckereien und Papiermanufakturen zusammen, die sehr experimentierfreudig sind.“
Helene ist Grafikdesignerin, Anna in der Kunstgeschichte beheimatet, wie so oft im Kultur- und Kreativbereich sind die Wege nicht immer geradlinig verlaufen. Inzwischen hat das Bureau Mitte drei Mitarbeiter. Austausch und gemeinsame Meinungsbildung sind wichtig. Die Stärken des einen respektieren, dem anderen Raum lassen. Das finden beide sehr wichtig und so sieht gute Teamarbeit aus. Tatsächlich gibt es auch immer eine Phase, in der das gesamte Team zusammensitzt und verschiedene Perspektiven beleuchtet. Dazu kommt ein Netzwerk von Fotografen, Textern, Illustratoren, Programmierern... es gibt keinen Universalkreativen, der alle Bereiche abdecken kann. Sehr entscheidend für das Netzwerk ist immer auch der Typ Mensch – Kreative die ihre Arbeit gerne tun, sehr leidenschaftliche Menschen. „Wir haben alle eine sehr ähnliche Arbeitseinstellung, eine sehr flache Hierarchie und Respekt für den jeweils eigenen Arbeitsstil. Das ist unsere Arbeitsweise.“
Das spürt man schon, wenn man in das Bureau tritt. Es ist sehr klein, aber keine cleane Agentur mit glatten Oberflächen. Da steht der Holztisch mit dem robusten Gestell, da sind die Regale mit den Klemmbrettern, alles wirkt sehr haptisch und sehr dreidimensional. „Das ist auch ein Ausdruck unserer Arbeit, wir legen wirklich Wert auf Materialität und Details. Es ist erwiesen, dass der Tastsinn unmittelbar nach dem Gehör und den Augen kommt. Gutes Design, das auf wertlosem Papier gedruckt wird, verliert etwas von seinem Charakter.“ Zwei eigene Druckmaschinen, eine Linoldruckpresse und ein Risograph, eine eigene Edition von Kunstdrucken, das Magazin Werken – das passt zum Werkbund, das passt zur Haptik, das passt auch zum Industriecharakter des Bureau Mitte.
Das Magazin Werken ist entstanden als Gegenpol des schnellen Erhaschens einzelner Arbeiten von tollen Kreativen auf Social Media Kanälen. Das ist sehr typisch für unsere Zeit: das schnelle konsumieren einzelner Fetzen. Werken ist eine umfassende Werkschau einzelner Künstler oder Kreativer. Ein Magazin mit wenig Text und eine kleine Weltreise: Ein Illustrator aus Istanbul, ein Zeichner aus Südamerika. Mittlerweile gibt es sechs Ausgaben, immer Monografien. „Wir nehmen uns sehr viel Zeit dafür, Werken entsteht in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen Künstlern.“ Zum Teil sind die Magazine sehr aufwendig in der Produktion. Auch hier: Stichwort Wertigkeit. Werken erscheint in einer sehr kleinen Auflage, je 100 Stück, die Kunstdrucke je 30 Stück und beides wird auch verkauft. Mittlerweile hat das Bureau Mitte einen eigenen Webshop. Die Motive der Kunstdrucke werden in Workshops mit den Mitarbeitern oder Gastkünstlern entwickeln, und auf den eigenen Druckmaschinen gedruckt. Das drucken mit dem Risographen ist ein sehr umweltfreundliches Kaltdruckverfahren, das mit Farben auf Sojaölbasis arbeitet. Eine Farbe wird nach der anderen gedruckt, was den Druckprozess sehr langsam aber auch spannend macht.
Wie sind die Pläne, wo geht“s hin? Das Bureau Mitte ist auf der Suche nach einem größeren Büro, braucht einfach mehr Platz zum arbeiten. Die Agentur soll weiter aufgebaut und gestärkt werden, auch noch mehr Freiheiten sollen geschaffen werden. Im Team gehört schon jetzt die jeweils letzte Arbeitsstunde des Tages jedem selbst. Weiter so, auch weil Helene und Anna eine gute und erfolgreiche Frauenagentur sind! Und der Holztisch wird sicher auch im künftigen Büro eine zentrale Rolle spielen.
Update 2022
Neuigkeiten auch aus dem Bureau Mitte: Die Designagentur wird von Anna-Sara Ranches weitergeführt, während Helene Uhl sich auf Illustrationen konzentriert und während der Pandemie große Erfolge mit dem „ZeitvertreiBär“ feiern konnte.
Über Räume und Denkprozesse und das visualisieren von Themen im Orbit
Die Herausforderung viele Facetten zu haben und kontinuierlich gute Arbeit zu leisten
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