30.11.2020

Carolin Kropff

Über die Malerei, das Machen und den Diskurs mit dem Betrachter

Im Atelier von Carolin Kropff. Gemeinsam planen wir eine Veranstaltungsreihe, die eigentlich heute starten sollte und die wir aufgrund des zweiten Lockdowns der Corona-Pandemie absagen mussten. Schön, dass wir stattdessen am gleichen Ort das Interview führen. Dieser Raum ist nicht nur Carolin Kropff’s Atelier, sondern heißt Studiospace Lange Strasse 31. Der Anfang liegt mittlerweile vier, fünf Jahre zurück, als die Künstler*innen des Ateliers anfingen vor Ort Ausstellungen zu organisieren.

Ich war nicht auf der Suche nach einem billigen Raum, in dem ich meine Ruhe habe. Sondern nach einem Ort an dem mehr passiert als nur meine eigene Kunst.

Das erste Projekt fand noch im gesamten Atelier statt. „Für mich war es zum ersten Mal, dass ich mich mit der Organisation einer Ausstellung beschäftigt habe. Das war total spannend.“ Dann entstand die Idee, den kleinen Vorraum mit One-Night-Exhibitions zu bespielen – ein winzig kleiner, nicht mal 10 qm großer Raum, der das Treppenhaus mit dem großzügigen Licht durchfluteten Gemeinschaftsatelier verbindet – und jeweils zwei Positionen gegenüber zu stellen. „Ich verdanke die Idee den Raum wie ein Abteil zu bespielen, in dem sich in kurzer Zeit Unbekannte treffen und in einen Dialog treten, meinem Kollegen Lucas Fastabend. Mein persönliches Interesse war vor allem, Künstler*inen die ich in Dubai kennengelernt habe, mit westlicheren Ideen zu verknüpfen. Für die One-Night-Exhibitions war ich auf der Suche nach Positionen, die mich auch herausfordern.“

Mittlerweile sind die Atelierräume von neuen Kolleg*innen besetzt. Carolin – oder Caro ­– ist immer noch hier und hat sich entschieden, die Veranstaltungsreihe wieder aufzugreifen. Aufbauend auf die One-Night-Exhibitions hat sie ein Workshop-Format konzipiert und ist auf den Frankfurter Kranz zugekommen. Ein Teil der Künstlerinnen die sie ausgewählt hat, beschäftigen sich mit künstlerischen Techniken, die handarbeitsähnliche Tätigkeiten aufgreifen, die traditionell weiblich belegt sind. Geplant ist eine Veranstaltungsreihe mit dem Titel MACHEN: Am Tisch sitzen, etwas mit den Händen tun und über dieses Tun miteinander ins Gespräch kommen. „Workshop übersetzt meint die Werkstatt, und die Werkstatt ist ein Raum wo gemacht wird.“

Caro Kropff ist Malerin. Sie hat an der Kunstakademie Düsseldorf studiert und später an der Städelschule in Frankfurt. Sie hat in Madrid und viele Jahre in Dubai gelebt und die vielen Reisen und Einflüsse anderer Länder haben sicher mit dazu beigetragen, dass sie ihr Atelier jetzt in dieser Form öffnet und die Zusammenarbeit mit Anderen sucht. „Wenn ich male, finde ich es wunderbar, alleine zu sein und meinen eigenen Dialog zu haben, mit den Farben, mit der Kunstgeschichte, mit dem, was ich über Malerei denke. Im Laufe der Jahre habe ich aber gemerkt, dass das ein bisschen ins Leere läuft.“ Die Konfrontation mit einem Betrachter – das kann ein Besucher in der Ausstellung sein, Kolleg*innen im Diskurs oder Teilnehmer eines Workshops – ist für Caro Kropff schon eine künstlerische Praxis an sich. Ein Aspekt, den sie für ihre künstlerische Arbeit sehr wichtig findet.

Mir hat sich als Künstlerin immer die Frage gestellt ­– welches Verhältnis habe ich zum Betrachter?

Carolin Kropff wollte Modedesignerin werden und zunächst eine Ausbildung zur Herrenschneiderin gemacht. „Ich habe drei Jahre bei einem sehr guten und sehr konservativen Herrenmaßschneider richtig ordentliches Herrenschneiderhandwerk gelernt. Das ist eine sehr schöne Arbeit, das zerschneiden von Stoff, daraus dann etwas Dreidimensionales entstehen zu lassen.“ Anschließend hat sie in der Herrenschneiderei des Dortmunder Theaters als Assistentin für Kostümbild gearbeitet und nebenher Akt gezeichnet. Ihr Lehrer Joachim Peter Kastner war Dozent an der Kunstakademie in Düsseldorf und hat ihr empfohlen, sich dort zu bewerben. „Ich hatte von der Kunstakademie Düsseldorf vorher nie gehört – ich komme aus dem Sauerland und habe mit sechzehn zum ersten Mal ein Museum betreten.“ Die Malerschule der renommierten Düsseldorfer Kunstakademie hat sie geprägt.

Eine Malerei ist eine Malerei, und eine Geschichte ist eine Geschichte.

Eine radikale Aussage. Malerei und Worte als zwei verschiedene Sprachen zu definieren. Die nicht unbedingt miteinander zu tun haben. Fragen nach dem reinen Kunstwerk, dem autonomen Kunstwerk.... Aber auch: Wann wird Malerei zur Illustration? Oder wann macht sich ein Bühnenbild frei von der Textvorgabe? Diese Fragen waren für Caro Kropff sehr schwer zu beantworten.

Ich habe diese Diskrepanz zwischen Text und Bild für mich nicht lösen können.

„Mittlerweile glaube ich, dass das so nicht stimmt. Oder andersrum gesagt: Natürlich kann man eine Malerei so aufbauen, dass sie sich nur mit der malerischen Grammatik beschäftigt. Aber wenn ich das Verhältnis zum Betrachter suche, lasse ich mich auf eine menschliche Ebene ein und frage danach, was den Menschen interessiert. Zum Beispiel Geschichten. Das habe ich in Dubai wieder neu kennengelernt.“

Caro hat fünf Jahre in Dubai gelebt. In der muslimischen Kultur spielt das Geschichtenerzählen eine große Rolle. Eine nomadische Gesellschaft, in der Materielles hindernd sein kann und Immaterielles wertvoll. „Jemand hat mir das Buch Paradise Lost von John Milton empfohlen, und ich habe erkannt, wie viele Künstler sich mit den großen Geschichten der Menschheit beschäftigt haben. Ich habe mich auch in die Mythologieforschung vertieft. Das alles hat mir erlaubt, mich der figurativen Malerei und dem Geschichtenerzählen ganz anders zu öffnen.“

Caro Kropff hat angefangen, zum Thema Adam und Eva zu arbeiten. Als Menschheitsgeschichte, aber auch als Ur-Thema. Und hat dann in Dubai Felicity Browns kennengelernt, Fashiondesignerin und Künstlerin. Eine Begegnung, die viel bewegt hat. „Wir haben begonnen, zusammen zu arbeiten und gemeinsame Interessen zu entwickeln. Wir sind zusammen nach New Mexico gereist, eine Adame&Eve-Journey. Wir haben Symbole fast kindlich auf Stoffe aufgemalt, zerschnitten, Leute gefragt, ob sie diese tragen wollen...“ Es ging darum, nicht für einen abstrakten Besucher zu arbeiten. Sondern in die Öffentlichkeit zu gehen, auf die Straße, und den Betrachter dort zu finden. In der Zusammenarbeit mit Felicity Brown hat Caro Kropff begonnen, auf Stoff zu malen – „Ich bin ja Schneiderin, habe mit Stoff gearbeitet. Aber auf Stoff zu malen, die Idee ist mir gar nicht gekommen. Ich konnte die Malerei und das arbeiten mit Stoffen plötzlich verbinden.“

In all diesen Geschichten wird deutlich, wie wichtig der Austausch ist. Es geht auch darum, aus der Einsamkeit des Ateliers zu entfliehen und die Konfrontation zu suchen, die nicht unbedingt nur der Betrachter sein muss. Sondern auch eine andere Künstler*in sein kann, mit der eine gemeinsame Arbeit entsteht. Carolin Kropff interessiert sich für die Idee, das man gemeinsam viel größer denken kann, als wenn man alleine ist. Dass man ganz woanders hinkommt, wenn man sich auf Gemeinschaft einlässt.

Ich finde Zusammenarbeit sehr wichtig: it is all about connecting.

Gutes Schlusswort. Connecting fasst alles zusammen. Oder auch co-laborare – zusammen arbeiten. Womit wir wieder beim MACHEN sind.

Fast vergessen – heute ganz zum Schluss: Was bedeutet für Dich Erfolg?

„Für mich ist Erfolg, wenn ich es schaffe, jemanden mitzunehmen. Wenn ich es schaffe, weiter zu geben, dass Kreativität ein Ausdruck von Lebensfreude ist und mein Gegenüber sich dann traut, selbst kreativ zu werden.“

www.carolinkropff.net

www.studiospacelangestrasse31.net

Grit Weber

Kulturanthropologische Ansätze, Grüne Soße und das disruptive Denken

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