Wir treffen uns in der Bibliothek der Galerie Hanna Bekker vom Rath umringt von Büchern zur Kunst der klassischen Moderne. Aber auch Kataloge zeitgenössischer Frankfurter Künstlerinnen und Künstler sind dabei. Unten in der Braubachstraße klingelt die Straßenbahn.
Das Studium der Kunstgeschichte legt diese Breite nahe. Und auch in der Kommunikation und Vermittlung kann man davon profitieren. Man lernt, irrsinnig viele unterschiedliche Informationen parallel aufzunehmen und so zu filtern, dass eine klare Aussage entsteht.
Isa Bickmann war nicht immer freiberuflich tätig, sondern ist zunächst ganz klassisch in das Berufsfeld einer Kunsthistorikerin eingestiegen. Nach der Promotion und einem Praktikum im Städel Museum folgten Volontariat und Assistenz an der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden. Dort hat sie Ausstellungen mitkuratiert, Führungen gemacht, Pressearbeit, den Ausstellungsaufbau koordiniert.
Es scheint, als hätten wir unglaublich viele Parallelen. Mich interessiert, wie es zu ihrer freiberuflichen Tätigkeit kam. Hat es sich ergeben? Oder war es eine bewusste Entscheidung? Beides. Das Angebot der Kunstakademie Karlsruhe, den Katalog zur 150-Jahr-Feier redaktionell zu betreuen war der Start in die Freiberuflichkeit. „Nebenbei habe ich weiter für Galerien gearbeitet, Texte lektoriert – eigentlich alles angenommen, womit man Geld verdienen konnte.“ Schließlich kam das art kaleidoscope auf Isa Bickmann zu, bis heute betreut sie den Ausstellungskalender. Zugleich hat sie damit begonnen, Führungen und Galerienrundgänge zu organisieren.
Die Galerienrundgänge organisiert Isa Bickmann eigenverantwortlich für einen festen Kreis von Interessenten. Auslöser war ihre Arbeit in einer Galerie, in der das Element der Vermittlung an ein Publikum völlig fehlte. In den Führungen kann sie sich nicht nur den Inhalten der Kunst widmen, die TeilnehmerInnen interessieren sich ebenso für den Kunstmarkt und die Aufgaben einer Galerie.
Isa Bickmann arbeitet auch kuratorisch. 2019 betreute sie die Ausstellung zum 90. Geburtstag des Frankfurter Künstlers Rolf Kissel und erstellte eine Dokumentation zum 25-jährigen Jubiläum der Interessengemeinschaft der Frankfurter Galerien. Derzeit in Vorbereitung ist ein Ausstellungsprojekt zu den ersten Off-Spaces in Frankfurt in den siebziger und achtziger Jahren. Alle diese Galerien und Ausstellungsräume haben zum Kulturleben nach 1945 beigetragen, die meisten sind heute nicht mehr präsent. Aufgaben, die intensive Archivarbeit beinhalten. Das Material, das man dazu in den Archiven finden kann, ist bei weitem noch nicht erschöpft und bearbeitet.
All das hängt eng zusammen: Die Vermittlung, die Führungen, aber auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Ausstellungen. Es geht immer darum, Inhalte an ein Publikum zu kommunizieren. Auch beim Schreiben. Das ist eine Kernaufgabe unserer Arbeit als Kunsthistorikerinnen. Und wieder fährt klingelnd die Straßenbahn vorbei. Das erinnert mich an meinen ersten Job in den neunziger Jahren im Museum für Moderne Kunst nur ein paar Häuser weiter. Im Gegensatz zu Isa Bickmann hatte ich selbst lange das Gefühl der Zerrissenheit, als müsse ich mich irgendwann entscheiden. Heute bilden auch meine verschiedenen Tätigkeiten ein gemeinsames Ganzes und sind inhaltlich miteinander verbunden.
Was bedeutet für Isa Bickmann Erfolg? Ein gelungener Text. Ein inhaltliches Feedback von Leserinnen oder Lesern. KünstlerInnen, glücklich lächelnd, während einer Eröffnungsrede. Eine Teilnehmerin einer Führung, die sagt: Das hat mir gut gefallen, da haben Sie eine schöne Ausstellung ausgesucht. Oder wenn ein Kollege, nachdem er einen Text gelesen hat, beteuert: Du hast mir aus der Seele gesprochen, genau so habe ich das auch gesehen. „Das ist gut. Das ist für mich Erfolg. Finanzieller Erfolg ist in unserer Branche sowieso schwierig.“
Wir sprechen auch über Fragen der Honorierung. Vor allem Frauen leiden oftmals sehr unter der schlechten Bezahlung ihrer freiberuflichen Arbeit in der Kulturbranche. „Wenn ich eine Rede halte, konkurriere ich mit Museumsdirektoren oder Journalisten, die das ihm Rahmen ihrer festangestellten Tätigkeit tun können. Es ist enorm wichtig, dass man die Preise nicht verdirbt. Ich bin rigoros und erwarte das auch von meinen Kolleginnen und Kollegen.“ Es sollte selbstverständlich sein.
Und dann wäre da noch Faust-Kultur. Ein Onlinemagazin, überregional, mit einem Frankfurt-Schwerpunkt. Eine Plattform, die auch dazu beitragen soll, dass Autorinnen und Autoren eine Öffentlichkeit bekommen. Aber auch für Themen, die im Feuilleton keine Chance haben. „Dir brennt ein Thema auf der Seele, Du möchtest unbedingt darüber schreiben - dann tust Du es einfach.“ Neue Artikel werden über einen wöchentlichen Newsletter kommuniziert, den man unentgeltlich abonnieren kann. Faustkultur ist ein Nonprofit-Projekt.
Selbstverständlich muss man auch Pressearbeit machen für Ausstellungen, die man nicht selbst kuratiert hat und Themen kommunizieren, die außerhalb der eigenen Interessenschwerpunkte liegen. Das ist eine große Kunst. Und darin liegt die Professionalität einer Kunstvermittlerin, die im Hintergrund agiert, aber das, was öffentlich wahrgenommen wird, maßgeblich mitbestimmt. Welche ihrer vielen verschiedenen Tätigkeiten liebt Isa Bickmann am meisten? Das Schreiben.
Nachdenken über den Begriff Kultur oder: was macht die Biologin in unserer Reihe?
Die Herausforderung viele Facetten zu haben und kontinuierlich gute Arbeit zu leisten
Der Wert des Experimentierens oder: geballte weibliche Flexibilität