Die Begrüßung wird von lautem Bellen begleitet. Panzer kenne ich schon länger, Mañana und Juni gehören auch zur Podenco-Familie, und da wäre natürlich noch Pepe, der grüne Leguan. Er ist schon 22 Jahre alt, bewegt sich wenig und manchmal kippt er von seinem Stamm. Sandra Mann ist eine der Kolleginnen, mit denen man sofort mitten im Thema ist. Es gibt einfach zu viel zu berichten und zu tun, als dass man viel Zeit verlieren möchte. Kaum habe ich das Atelier in Frankfurt-Fechenheim betreten, sind wir auch schon in einer Diskussion über die Strukturierung der neuen Internetseite verstrickt. Eigentlich ist das Medium Internet ideal, um die Komplexität einer Künstlerin wie Sandra Mann zu kommunizieren. Fotografin, Künstlerin, Kuratorin. Zudem die Lehrtätigkeit an der European School of Design und die zahlreichen Publikationen (in der Regel mit eigenen Texten und selbstverständlich selbst gestaltet.)
Für Außenstehende kaum vorstellbar, wie sich hier Projekte, Arbeit, Kunst und das ganze Leben verzahnen. Die Kreativität das Leben zu gestalten – Ideen entwickeln und Dinge miteinander verbinden. „Mein ganzes Leben und meine ganze Arbeit basieren darauf, dass alles miteinander vernetzt ist. Klar, Zuordnung kann auch Sicherheit geben, auf mich trifft das nicht zu. Mein Leben ist meine Arbeit und anders herum. Eigentlich arbeite ich immer.“ Hat das nur Vorteile, oder auch Nachteile? „Man muss das nicht so wertend sehen“ antwortet Sandra Mann. „Zusammen sitzen mit einem befreundeten Künstler oder Kurator, eine Ausstellung besuchen, neue Projekte besprechen... das macht mir Spaß. Ich arbeite gerne und viel und gestalte mir so den Alltag. Dinge die mir keinen Spaß machen, müssen dann aber super bezahlt sein – sonst íst es mir die Zeit nicht wert.“
Was heißt Erfolg? „Freiheit. Das ich machen kann was mir Spaß macht, was mich interessiert. Anerkennung ist mir nicht mehr so wichtig.“ Als wir auf die Themen Erfolg und Anerkennung zu sprechen kommen, und darauf was es bedeutet erfolgreich zu sein im Kulturbetrieb sind auch ganz schnell Konkurrenz und Neid ein Thema. „Viele Künstlerinnen und Künstler, und besonders Frauen, haben Angst vor Erfolg“ behauptet Sandra Mann. „Sie machen sich bewusst kleiner um bloß nicht zu gut zu sein. Weil sie in dem Moment, indem sie in der Öffentlichkeit stehen auch mit eventueller Ablehnung, dem Neid der Kollegen umgehen müssen. Oft schwer auszuhalten für Frauen.“ Panzer bellt laut, er hört nicht mehr gut, mit seinen mittlerweile 10 Jahren. „Einige Künstlerinnen und Künstler haben unerwartet mehr Angst vor dem Erfolg als Angst vor dem Versagen.“
Sandra Mann, die auch die Kolleginnen für unsere Porträtserie fotografiert, interessiert sich für Abbildungen die unsere Wahrnehmung in Frage stellen. Ihre Fotografien sind Bilder für die man schon mal genau hinschauen muss, bevor man besondere Details, sozialkritisches oder auch komisches entdeckt. Am Anfang ihrer Karriere hat Sandra Mann tagebuchartig fotografiert. Ein Archiv mit 600.000 Dias ist entstanden und nimmt in Sandra Manns Atelier viele Regalmeter ein. „Ich habe unglaublich viel fotografiert. Und nur über dieses viele fotografieren, sehen, hinschauen, reflektieren, auch richtig fotografieren gelernt.“
Sandra Mann ist das Beispiel dafür, dass man sehr wohl viele Facetten haben kann ohne dass die eigene Arbeit an Tiefe verliert. Sie hat zunächst Kunstgeschichte und dann an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach bei Lewis Baltz und Heiner Blum studiert. Von Anfang an hat sie sowohl als Auftrags-Fotografin als auch als freie Künstlerin gearbeitet und schon sehr früh Erfolg gehabt. Die Inszenierung im Raum spielt eine große Rolle in Sandra Manns Arbeit, und immer auch die Kommunikation mit dem Gegenüber.
So ist ein Netzwerk entstanden, von dem aus es nur ein kleiner und konsequenter Schritt war, auch selbst kuratorisch tätig zu sein, (Kunst-)räume zu inszenieren und Kolleginnen und Kollegen mit einzubeziehen. Vor kurzem hat Sandra Mann eine internationale Ausstellung im Torrance Art Museum (bei Los Angeles) mit 30 Künstlern kuratiert und organisiert. Großprojekte mit einem Engagement das bis an die Grenzen der eigenen Ressourcen und Belastbarkeit geht... „Kann ich das, krieg’ ich das hin?“ Geht es da nicht doch auch um Anerkennung und Bestätigung? „Mein Netzwerk erweitert sich damit, auch international, um Ausstellungsmöglichkeiten und Kontakte in die USA.“ Sandra Mann ist eine Netzwerkerin par excellence.
Das Wort Spaß taucht öfter auf, wenn man mit Sandra Mann spricht. Und dass Arbeit die Freude macht, deswegen nicht weniger wert sein muss. Auch wenn für das eine oder andere Projekt nicht immer Geld aufzutreiben ist. „Ich möchte die Dinge eben so gestalten, dass sie einen Benefit bringen. Dass kann Zeit sein oder Geld, Erfahrung, Freunde, Anerkennung, oder eben Freude.“ Ist man denn nicht auch mit einer öffentlichen Wahrnehmung konfrontiert, die davon ausgeht, das man alles was Spaß macht nicht ernst nehmen kann? Wir denken darüber nach, ob es etwas Frankfurt-spezifisches ist, dass der (künstlerische) Erfolg zu sehr an das Geld verdienen gekoppelt ist? „Mir ist eine klassische finanzielle Absicherung allein nicht wichtig. Aber ich muss natürlich auch Wege finden wie ich mein Leben und meine Arbeit finanziere und wenn das mit Freude und Spaß verbunden ist, umso besser.“
Auch dieses Gespräch hat, wie immer, viel Spaß gemacht.
Foto: (c) KarstenThormaehlen
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Ein Gespräch über flexible Lebensgestaltung, Kommunikation in der Kunst und unsere Verletzlichkeit